Zeitenwende

Heute dabei bei Metin Hakverdis Veranstaltung „Zeitenwende“ im Kreisbüro der SPD Harburg zu den Folgen des Ukrainekrieges.
Ist die Welt eine andere seit Februar dieses Jahres, als die russische Föderation die Ukraine angriff? Zweifellos. Denn wir sehen die Sicherheits-Infrastruktur, die sich in einem mühsamen und langwierigen Prozess seit den 1970er Jahren etablierte, im übertragenen Sinne in Trümmern liegen, während die Städte und Dörfer der Ukraine es in ganz wörtlichem Sinne tun. Es herrscht ein großer Krieg auf unserem Kontinent. Das erschien noch vor nicht langer Zeit unglaubwürdig, unfassbar. Handel sichert Frieden, so dachte man. So dachte auch ich und war mir sicher, dass die engen und gegenseitigen (!) wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen Russland und „dem Westen“ so stark wären, dass für beide Seiten eine ernsthafte Konfrontation einfach viel zu teuer erkauft wäre.
Russland indes war bereit diesen Preis zu zahlen. Und schon sehr viele russische Soldaten zahlten einen noch viel höheren, den allerhöchsten Preis, zahlten mit ihrem Leben. Hinterlassen Zerstörung, Tod und Leid in der Ukraine und Familie, Frauen, Freunde und Kinder Zuhause. Und das zum angeblichen Wohle des maroden Imperiums. Das ist zunächst einmal die Ausgangslage.
Zwei Worst-Case-Szenarien gilt es zu verhindern: In gar keinem Fall darf sich erstens dieser Krieg ausweiten, denn in einem Krieg zwischen Russland und NATO würde es schlussendlich nicht mehr um Sieg oder Niederlage gehen. Die Niederlage wäre in einem schlussendlich atomar geführten Krieg unausweichlich und sie wäre total. Sprechen wir es doch ruhig mal ganz deutlich aus: Wir reden hier in Wahrheit von nichts Geringerem als dem Fortbestand der Menschheit.
Zweitens darf hier kein Präzedenzfall geschaffen werden, bei dem eine Großmacht mit den Mitteln imperialistischer Politik des 19. Jahrhunderts qua militärischer Kraft seine Interessen durchsetzt. Bislang sieht es nicht danach aus, dass das Imperium hierfür noch hinreichende Kräfte hat, aber es gibt andere, noch ungleich Mächtigere als das Russland der Gegenwart, deren territoriale Gelüste nicht noch durch ein Positiv-Beispiel gestärkt werden dürfen.
Und Deutschland?
Unser Land hat sehr lange und sehr gut davon gelebt, Energie zu sehr günstigem Preis und sehr verlässlich von der Russischen Föderation zu erhalten. Dieses exklusive Verhältnis, von dem beide Seiten stark profitierten und das unter rein rationalen Gesichtspunkten eigentlich auch friedenssichernd wirken sollte, hat ein Ende gefunden. In gewisser Weise gilt: Die Party ist vorbei.
Wenn ich aber schreibe, dass die Party vorbei ist, so ist das fast zynisch, denn jene, die im Moment ganz besonders unter ungeheuer gestiegenen Energiepreisen zu leiden haben, haben nie mitgefeiert. Das ist ungefähr so als würde man Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zur Party zwar einladen, sie aber nicht mitfeiern lassen und danach ganz selbstverständlich von ihnen erwarten, dass sie beim Aufräumen helfen.
Sollen die Menschen also reihenweise in die Privatinsolvenz gehen, wenn Strom- und Gasrechnungen kommen? Strom- oder Gassperren hinnehmen? Ihre Lebensmittel lieber auf den Balkon legen, um den Kühlschrank abschalten zu können?
Das sei ferne. Die Bundesregierung hat hier bereits mit Einmalzahlungen, steuerlichen Entlastungen etc. etc. deutlich gegengesteuert und wird das gewiss auch weiter tun. Wir werden nicht umhinkommen, an dieser Stelle über Verteilungsgerechtigkeit zu sprechen und über die Lohnentwicklung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (da Renten an schlussendlich das Lohnniveau gekoppelt sind, sind Rentnerinnen und Rentner hier automatisch mitgedacht). So ist es zum Beispiel den Gewerkschaften in der vergangenen Zeit ja durchaus gelungen, recht schöne Tarifabschlüsse auszuhandeln, durch eine inzwischen viel zu geringe Tarifbindung schlägt das aber nicht hinreichend durch.
Die aktuelle Krise, hervorgerufen durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine wird uns meines Erachtens zwingen, sozialpolitische Verteilungsfragen sehr ausführlich und sehr grundsätzlich zu betrachten, zu diskutieren und zu beantworten.
Danke Metin Hakverdi für diese richtige und wichtige Veranstaltungsreihe!