Runder Tisch zum kolonialen Erbe Hamburgs
Heute dabei beim runden Tisch zum kolonialen Erbe Hamburgs im Afrotopia culture + innovation in Barmbek. Fragen der Aufarbeitung und Vergegenwärtigung kolonialen Unrechts beschäftigen mich schon seit Jahren.

Eingangs erinnerte der Afrotopiagründer Christian Kodzo Ayivi in seinem Grußwort sinngemäß, dass die Beschäftigung mit kolonialer Vergangenheit nicht dazu verführen darf, die Fortführung ungerechten und ausbeuterischen Handels o.ä. zu vergessen, sich also quasi durch Abbitte bzgl. vergangener kolonialer Herrschaft von gegenwärtiger Verantwortung reinwaschen zu wollen. Recht hat der Mann, denn der Kolonialismus als politische Herrschaftsform mag überwunden sein, das durch ihn geprägte Weltwirtschaftssystem aber besteht in weiten Teilen fort.
Dies im Hinterkopf behaltend gibt es sie aber natürlich trotzdem: Die „historische Seite“ des kolonialen Erbes. In Deutschland kam diese Thematik spät auf. Allzusehr überstrahlen Nazizeit und zweiter Weltkrieg die Ereignisse im ebenso kurzlebigen wie unrühmlichen Deutschen Kolonialreich. Dabei war es so klein und unbedeutend nicht: Entgegen der Wahrnehmung vieler Deutscher hatte sich das Kaiserreich bis 1914 das viertgrößte Kolonialreich zusammengerafft. Damit nicht genug, durch den Handel mit den anderen Kolonialmächten profitierte das Reich auch in starkem Maße von der Gewaltherrschaft der anderen europäischen Nationen über weite Teile des Globus.
„Runder Tisch zum kolonialen Erbe Hamburgs“ heiß die Veranstaltung heute. Und als Harburger könnte ich nun frech sagen: „Was geht mich das an?“ Denn zu Kaisers Zeiten war Harburg-Wilhelmsburg eine selbstständige Stadt, Hamburgs koloniale Vergangenheit hat also nur wenig mit uns zu tun. Das ist mir aber ein wenig zu engstirnig. Harburg hat, soviel ist gewiss, seine ganze eigene koloniale Vergangenheit. Sein Aufstieg im 19. Jahrhundert vom beschaulichen Festungsstädtchen zu einer der bedeutendsten Industriestädte Preußens ist untrennbar mit kolonialem Handel verbunden, war Harburg doch zeitweise der weltweit größte Umschlagplatz für Palmöl und der zweitgrößte für Kautschuk (nach Liverpool). Ein paar Betriebe der Gummiindustrie prägen den Bezirk noch heute.
Es geht nicht darum, das koloniale Erbe aus dem Stadtbild zu vertreiben. Es geht ausdrücklich nicht um eine „damnatio memoriae“, eine Tilgung des Andenkens also. Es geht darum sich zu erinnern, mit welchen Mitteln vielleicht (!) Harburg sein schönes neues Rathaus finanzierte, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Es geht darum festzustellen, ob der eine oder andere ehrbare Kaufmann, nach dem vielleicht die eine oder andere Straße benannt ist, wirklich so ehrbar ist. Eine genaue wissenschaftliche Aufarbeitung der spezifisch Harburgischen Geschichte steht noch aus. Diese ist notwendig. Ebenso notwendig ist eine Stätte würdigen Erinnerns.